Der Acheron-Konflikt, Kapitel 2 – Nordlichter

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nur kurz zuvor in der provisorischen Kommando-Leitstelle Alpha, im Norden Acherons

Die Operation River-Shield unter der Führung des erfahrenen Generals Anthony Miller war mit dem Aufgang der größeren Sonne gerade erst angelaufen und bereits in der ersten heißen Phase. Die US ariadnischen Kampfverbände mussten, nachdem der Raumhafen von nomadischen Söldnern des Jurisdiktionskommandos von Corregidor überrannt und gehalten wurde, außerhalb Acherons landen und mit kleinen Truppentransportern ein Reconnaissance Team als Brückenkopf in die Kolonie schleusen. Im US ariadnischen Militär war es schon seit jeher Tradition, dass Offiziere an vorderster Front mit ihren Soldaten kämpften. So konnten sie sich ein besseres Bild der Lage machen und es war förderlich für die Moral der Soldaten. General Miller war Traditionalist.

„Sir, erstatte Meldung!“, ein Techniker betrat die Leitstelle, die notdürftig im Wohnzimmer eines Wohnhauses untergebracht war, „Haqqislam hat sich nach der Niederlage beim Raumhafen in den Westen der Kolonie zurückgezogen und formiert sich dort neu. Und das Kommando-Hauptquartier meldet unidentifizierte Kontakte bei den Förderanlagen Echo, aber darum kümmern sich die Haqq’s.“

Er breitete eine Karte Acherons auf dem Besprechungstisch aus, der bis vor kurzem noch ein fürs Frühstück gedeckter Esstisch war: „Die Nomaden halten den Raumhafen im Süden und weite Teile der Kolonie bis etwa zu diesem Straßenzug.“ Der Techniker zeigte während seiner Ausführungen auf bunte Markierungen. Dann deutete er auf den nördlichen Teil der Karte: „Wir haben diese fünf Blocks gesichert, keine Feindkontakte, aber ein Aufklärer meldete über Funk, dass bisher noch unidentifizierte Truppen von Nordosten her in die Stadt vorrücken. Wir vermuten, dass sie zum Kaiserlichen Militärdienst gehören und sie sind uns zahlenmäßig überlegen, Sir.“

So beendete der Techniker seinen Bericht und nahm militärische Haltung ein. „Hrm“, räusperte sich der General und bereitete sich zunächst ruhig und routiniert eine Zigarre vor: Er strich sie sanft aus ihrer Papierhülle und fühlte mit seinen Fingern die Tabakblätter, griff in die Brusttasche, die von seinen Orden nach unten gezogen wurde, nahm daraus einen Zigarrenschneider und setzte diesen an. Er blickte noch einmal kurz auf die Karte. „Corporal“, wandte er sich zum Techniker, „Geben Sie Meldung an das Kommando-Hauptquartier, dass wir weiter nach Norden vorrücken.“ Er drückte seinen Zigarrenschneider zusammen und ein Zigarrenstummel fiel auf den Boden: „Wir werden diesen Brückenkopf ohne Verstärkung nicht gegen die Kaiserkultisten halten können.“ Mit suchendem Blick auf die Karte zündete er sich seine Zigarre an und zog zwei-, dreimal an.

Endlich konnte er, beim vierten Zug, den Tabakgeschmack genießen und so erklärte lächelnd seinen Plan: „Corporal… Melden Sie an das Kommando-Hauptquartier, dass wir einen Luftschlag benötigen.“ Dann deutete er auf die Karte: „Wir stellen in diesem Gebiet, hier, hier und hier, Signalfeuer auf und lenken so die Aufmerksamkeit auf uns. Wenn sie ihre Fanatiker mit ihren Bombenkragen auf uns hetzen, soll die Luftunterstützung einen Bombenteppich nördlich der Signale abwerfen und den Vormarsch ihrer regulären Truppen stoppen.“

„Sir, wird… wird das nicht massive zivile Verluste bedeuten?“, hakte ein junger Offizier ein. „Ja“, antwortete der General knapp und zog einmal kräftig an seiner Zigarre, „Vermutlich wird der Luftschlag weitaus mehr Zivilisten als Soldaten töten, wenn Sie es genau wissen wollen, aber nachdem es nicht unsere Zivilisten sind, ist das ein Preis, den ich bereitwillig zahle, um damit meine Jungs am Leben zu halten.“ Die Anwesenden schwiegen und der General näherte sich mit bestimmten Schritten dem fragenden Soldaten. „Ich glaube, Sie sollten sich nun für Ihren Einsatz fertig machen, Lieutenant.“

Das Reconnaissance Team der US Ariadna Ranger Force traf in der frühen Morgendämmerung am südlichen Rand des im äußersten Norden Acherons gelegenen Vergnügungsviertels auf die Vorhut des kaiserlichen Militärdienstes. Eine grobe Lageeinschätzung ergab folgende Ausgangssituation:

  1. Eine Sù-Jiàn Immediate Action Unit, damit würden die kaiserlichen Truppen die linke Flanke durchbrechen wollen.
  2. Eine Gruppe von Spezialisten und Kuang Shis versteckte sich hinter dem Haus, ein Dakini Tactbot im Erdgeschoss. Auf dem Dach bauten Techniker eine Chaiyi Yaokong Drohne auf.
  3. Eine Rui Shi Spitfire Drohne wurde so postiert, dass sie sowohl in das Hochhaus in der Mitte des Einsatzgebiets, als auch durch die Häuserschlucht bis in die Aufstellungszone der Ranger Sicht hatte. Ein Vorrücken von links wurde damit gefährlich. Außerdem versammelten sich Kuang Shis und ein Wú Ming Link Team hinter dem Haus.
  4. Im und neben dem dreistöckigen Haus versteckten sich zwei Celestial Guards, die auf das Signal ihres Lieutenants warteten, auf dem Dach lag ein nicht identifizierter Soldat.
  5. Ein letzter Kuang Shi garantierte, dass ein Vorrücken von rechts schmerzhaft enden würde. Begleitet wurde er von einem Artilleriebeobachter der Celestial Guards.

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  1. Ein defensives Grunt Link Team konnte weite Teile des Gebiets einsehen und sollte aufgestellte Signalfeuer verteidigen.
  2. Direkt vor der Defensivabteilung postierten sich ein schlagkräftiger Veteran der Minutemen sowie Spezialisten aus den Reihen der Foxtrot Army Rangers, der Airborne Rangers, der Mavericks und ein Techniker samt Bergefahrzeug.
  3. In der Mitte brachten sich ein Sanitäter des Marauder Regiments und ein Grunt Artilleriebeobachter in Stellung.
  4. Ein SpecOp sowie ein Foxtrot Army Ranger und ein Veteran der Hardcases deckten die rechte Flanke ab.
  5. Hinter einem zweistöckigen Haus warteten ein Traktor Mul Katyusha und das Devil Dog Team auf ihren Einsatz.

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Von einem mehrstöckigen Haus aus konnte ein Grunt Link-Team weite Teile des Einsatzgebietes überblicken und den Spezialisten Feuerschutz geben. Ebenfalls im Bild: Ein Techniker (rechts), ein Veteran der Minutemen (Mitte), ein Foxtrot Army Ranger (Mitte oben beim zünden eines Signalfeuers) und Mitglieder der Reconnaissance Force mit einem Bergefahrzeug (links).

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Erstes Blut: Der kaiserliche Militärdienst konterte die Errichtung der ersten Signalfeuer durch ein schnelles Vorrücken über die schwach gedeckte rechte Flanke. Dank der schweren Rüstungen der US ariadnischen Soldaten blieb der SpecOp vorerst unverletzt, doch die Artilleriebeobachterin der Foxtrots fiel der Schrotflinte des kaiserlichen Spezialisten zum Opfer.

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Linkes Bild: Eine Sù-Jiàn Immediate Action Unit (links) preschte über die linke Flanke nach vorne, beschäftigte die Grunts, fügte den vorgeschobenen Spezialisten hohe Verluste zu und machte auch vor Pressemitarbeitern nicht Halt (unten). Einen Sanitäter des Marauder Regiments im Erdgeschoss übersah die IAU zum Glück der US ariadnischen Truppen (hinter der Dachluke).

Rechtes Bild: Nur mit Glück überstanden die Maverickfahrerin und das Bergefahrzeug das Inferno des Flammenwerfers der IAU. Für den Fallschirmspringer kam jedoch jede Hilfe zu spät, während das Reaktionsfeuer des Veteranen nichts ausrichtete. Erst später konnte dieser mit Hilfe des sich im Gebäude befindlichen Marauders die IAU unschädlich machen.

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Das Devil Dog Team war das prominenteste der vielen Opfer der Kuang Shi, die durch ihre Sprengstoff-Halskrausen zu lebendigen Bomben wurden.

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Auf der linken Flanke konnte ein Signalfeuer wiedererrichtet werden, nachdem der kaiserliche Militärdienst dieses zuerst wieder zerstörte. Das feindliche Reaktionsfeuer konnte die tapfere Artilleriebeobachterin nicht beeindrucken.

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Ein Traktor MUL konnte mit exakter Präzision das Wú Míng Link-Team ausschalten und damit die Bemühungen des Militärdienstes bedeutend zurückwerfen, der nun neue Spezialisten ins offene Feld schicken musste.

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Dank ihres selbstlosen Mutes konnte die Fahrerin den Wert der Mavericks für die Ranger Force unter Beweis stellen. Mit Hilfe des Minutemen-Veteranen wurde zuerst die Wèibing Yáokòng Drohne eliminiert und anschließend das zentrale Signalfeuer aufgestellt.

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Das zwischenzeitlich bedrängte Grunt Team sicherte von seiner erhöhten Position vier von fünf Signalfeuern. Da half auch nicht der Kraftakt des kaiserlichen Hackers, der durch geschicktes Cautious Movement unbemerkt eines der Leuchtfeuer erreichte, wo er schließlich doch noch von Grunts gesehen wurde. Während allerdings sein Versuch der Umprogrammierung scheiterte, wurde er von einem wahren Kugelhagel der Grunts eliminiert.

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Der Orden für besondere Verdienste kann die Maverickfahrerin leider erst postum erhalten, da sie in der finalen Phase des Gefechts unter massierten Spitfire-Beschuss tödlich verletzt wurde.

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Unter der Einhaltung des Wahlspruchs Rangers Lead The Way konnten 5 Signalfeuer errichtet werden, während der kaiserliche Militärdienst lediglich 3 Störsender betrieb.

Die Rangers hatten, obwohl sie selbst einige Verluste verzeichnen mussten, letzten Endes knapp die  militärische Oberhand, wenn sie auch deutlich mehr Spezialisten verloren als der kaiserliche Militärdienst.

Die Kaiserlichen Truppen hatten zwar noch eine kleine Reserve an Spezialisten auf den Positionen 1 und 3, eine tödliche Drohne (2) und einen überlebenden Wú Míng (4), konnten diese Einheiten aber nicht mehr einsetzen.

Die Rangers hingegen kontrollierten wie geplant mit dem Link Team (1) vier von fünf Signalfeuern. Das Fünfte wurde dank des Unterdrückungsfeuers des Minutemen und des schweren Flammenwerfer des Marauders (3) für eine feindliche Übernahme äußerst unattraktiv. Der Techniker und das Bergefahrzeug warteten bis zum Ende der Kampfhandlungen geduldig auf ihrer Position (2). Einen besonderen Beitrag zum Sieg US Ariadnas leistete der Traktor MUL Katyusha (4), indem er das Link Team der Wú Míng brach und dabei den Spezialisten außer Gefecht setzte.

Noch während die Rui Shi Drohne mit ihrer Spitfire einen Kugelhagel in Richtung der bereits am Boden und im Sterben liegenden Artilleriebeobachterin abgab und weitere Kuang Shis auf die Stellungen der Rangers zustürmten, dröhnten plötzlich laute Maschinen durch die morgendliche Wolkendecke und ein kurzes Blitzen erhellte das sogenannte Vergnügungsviertel. Nur Bruchteile eines Wimpernschlags darauf standen die ersten Gebäude in Flammen. Verzweifelte Schreie mischten sich mit Explosionen, während es erneut kurz aufblitzte. Ein drittes Mal. Ein viertes Mal. Jedem Blitz folgten neue Flammen, neue Trümmer, neue Asche. Die Schreie der mittlerweile fliehenden kaiserlichen Soldaten mischten sich mit jenen von Schürfern, die sich in ihren Wohnungen versteckten. Vereinzelt konnte man Frauen hören. Es waren die Huren, die als Tänzerinnen nach Acheron kamen und für die der Tod in den Flammen ariadnischer Fusionsbomben vermutlich sogar eine, wenn auch schmerzhafte, Erlösung darstellte. Ein fünfter Blitz erhellte die Dämmerung zum Tag. Nun stimmten kurz Jubelrufe in das Stöhnen und Flehen ein und überdeckten es schließlich, ehe sie mit einigen kräftigen „Oorah“-Rufen ihren finalen Höhepunkt erreichten.

Wie der Jubel verstummte auch das Wehklagen und schon bevor ein verzögerter sechster Blitz noch einmal Erschütterung und Flammen auf Acheron abwarf, hörten die siegreichen Überlebenden nur das Lodern eines Feuers, das selbst Steine schmelzen konnte.

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General Miller beobachtete zufrieden und Zigarre rauchend das Geschehen auf einem Dach, direkt neben jenen Grunts, die noch gerade vor zwei, drei Minuten eine Salve nach der anderen parierten und austeilten. Sie waren fast noch Kinder, die sich – wie in ihrer Heimat üblich – mit 16 zum freiwilligen Militärdienst meldeten und nun, nach sechs Monaten Grundausbildung, zwei Jahre als Line Grunts dienen mussten, ehe sie sich auf eine Stelle in anderen Regimentern bewerben konnten. Der Militärdienst war auf Dawn und ganz besonders in den Gebieten US Ariadnas eine Ehre, die man sich verdienen musste und wollte. Wer nicht als Grunt diente, hatte kein Wahlrecht, wer nicht mindestens fünf Jahre Teil der Kampfverbände war, konnte kein öffentliches Amt bekleiden. Diese jungen Menschen mussten sich gerade fragen, wo zwischen Tod und Zerstörung nun all jener Glanz verborgen war, von dem sie in den Schulen und aus Geschichten hörten? Als wie schrecklich entpuppte sich für sie die jugendliche Kriegsromantik, wenn so ein feierlicher Sieg aussah?

Der Lieutenant, ein überraschend schmächtiger Mann, der bereits mit 22 Jahren die Akademie mit Auszeichnung abschloss und nun, nachdem er zwischenzeitlich als Fallschirmspringer diente, wieder dem Grunt Regiment zugeteilt war, betrat das Dach, auf dem sich General Miller und die jungen Privates befanden. Er würdigte den General nur mit dem formell erforderlichen Gruß und ging in Richtung der Grunts, für die er sich als ihr Lieutenant persönlich verantwortlich fühlte. Er war nicht mit dem Vorgehen des Generals einverstanden und hatte dies auch offen gezeigt. Sie hätten ihre Stellung halten und auf Verstärkung warten können, da war er sich sicher. Doch Widerspruch gehörte eindeutig nicht zu den Traditionen der Army Rangers.

Er setzte sich neben die Grunts und bot ihnen aus seiner Feldflasche zu Trinken an. Dann räusperte er sich: „Ich weiß, was in euren Köpfen vor sich geht. Habt euch das anders vorgestellt, hm?“ Keine Antwort. „Ihr habt einen guten Job gemacht, Jungs!“, versuchte er sie zu ermutigen, doch die Reaktion seiner Soldaten war nicht die Erhoffte. Achselzucken, Augen rollen, zynisches Schnaufen. Der Lieutenant musste sich eingestehen, dass die Akademie ihn zwar mit Taktik und Strategie belehrte, aber nicht auf die Realität der Mannschaftsführung vorbereitete. Wie sollte er junge Menschen, Kinder, vom Krieg begeistern, wenn sie erst einmal seine Bitterkeit gekostet hatten. Er wusste nicht mehr, wie er damals lernte, mit all dem umzugehen und blickte nachdenkend auf seine Feldflasche.

General Miller drehte sich kurz zu den kauernden Gestalten und blies Rauch aus. Dann sagte er mit stolz: „Seht euch diese strahlenden Rüstungen an!“ Die jungen Soldaten verstanden nicht und auch der Lieutenant wusste nicht, was der General meinte. Er wandte sich ihnen nun voll zu und deutete mit einer einladenden Geste auf die schmutzigen, abgewetzten Uniformen: „Blut und Scheiße, sage ich euch. Blut und Scheiße ist der Glanz, in dem unsere Rüstungen strahlen.“ Dann drehte er sich lachend wieder in Richtung der brennenden Ruinen des nun ehemaligen Vergnügungsviertels, atmete tief durch die Nase ein und murmelte zu sich selbst: „Riecht nach Sieg…“


Kapitel 3 –>

2 Gedanken zu „Der Acheron-Konflikt, Kapitel 2 – Nordlichter

  1. Wirklich gelungener Spielbericht, beim General Miller fühlte ich mich an ein gewisses Theaterstück erinnert. Heißt der Leutnant vielleicht zufällig Beckmann? 😉 Übrigens gefällt mir die Karte zum Spielfeld auch sehr gut (vielleicht noch Bewegungspfeile dazu?)

    Freue mich schon auf die Fortsetzung!

    1. Keine Borchert Anleihen, lediglich ein bisschen von Apocalypse Now abgekupfert (aber weniger für den Herrn Lieutenant als den General). Danke jedenfalls für das Lob. Bewegungspfeile habe ich für das übernächste Kapitel ausprobiert – bitte dann unbedingt um Rückmeldung, ob es nicht zu verwirrend ist.

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